Zu den Bildern

Ein viele Jahre dauernder Weltkrieg, die bedrückende Nachkriegszeit und die elende Kriegsgefangenschaft waren der bestimmende Teil des Lebens jener Generation, der auch ich angehöre und die sehr bald für immer schweigen wird. Schweigen musste sie allerdings schon jahrzehntelang. Nur selten werden auch einzelne ehemalige Soldaten oder "Trümmerfrauen" eingeladen, als "Zeitzeuge" zu berichten, wie es damals wirklich war.

1945, nach dem Schweigen der Waffen, glaubten viele, was ihnen die Propaganda der Sieger pausenlos einhämmerte, dass nunmehr, nachdem "Giiitler kapuut" war, der Weg frei sein werde, für den versprochenen EWIGEN FRIEDEN. Leider sind seither in zahllosen Kriegen und "Interventionen" weit mehr Menschen umgekommen. als je zuvor. Fast täglich werden wir über den Bildschirm Zeugen schrecklicher Grausamkeiten, sehen Menschen sterben, elternlose Kinder weinen, Kulturgüter unwiederbringlich in Schutt und Asche versinken, und zahllose, meist Unbeteiligte, unter unwürdigen Bedingungen in Gefangenschaft geraten. Dies alles geschieht angeblich zur Durchsetzung der Menschenrechte und Erringung der "Ewigen Freiheit".

Angesichts dieser "ewigen Kriege für den ewigen Frieden" setzt langsam ein Umdenken ein. Waren die Väter und Mütter, (meist schon die Omas und Opas ) der heute tragenden Generationen, wirklich allein schuld am Zweiten Weltkrieg ? Warum wird HEUTE nicht genug getan, um neue, noch schrecklichere Kriege zu verhindern ? Wir, die damals die Lasten getragen haben, befanden uns durch viele Jahre in einer heute nicht mehr vorstellbaren Not, hatten fast ständig den Tod vor Augen; später, weit entfernt von der Heimat, zu Sklavenarbeit gezwungen, ohne Nachrichten über das Schicksal der Familie und der Heimat und - besonders schwer zu ertragen - ohne reale Hoffnung auf eine Heimkehr in absehbarer Zeit. Die Wehrmacht hatte ja "bedingungslos" kapituliert, die Sowjetunion war zur Zweiten Supermacht emporgestiegen und die folgende Behandlung entsprach dem genau.

Nach meiner Heimkehr im Oktober 1953 musste ich mich, wie viele andere auch, zunächst bemühen, wieder eine "Identität" zu bekommen, Personaldokumente ausgestellt zu erhalten. Man hatte ja keine mehr. Dann kam die Suche nach einem Arbeitsplatz. Dreiunddreißig Jahre vergangen, und kein erlernter Beruf, keine Wohnung für Frau und Tochter. Da war keine Zeit und Muße für Kunst. Ich las keine Bücher über den Krieg oder die Kriegsgefangenschaft. Aber war wirklich alles vergessen ? Als mir 1971 durch Zufall die Meistererzählung von Alexander Solschenizyn "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" in die Hände kam, war mit einem einzigen Schlag "alles wieder da". Ich begann mir die Bilder "von der Seele zu malen". Still und nur für mich. Erst viel später habe ich über Drängen von Freunden begonnen, Bilder auszustellen. Es gibt ja kaum Fotos oder gar Filme über diese schrecklichen Lagerzonen das Archipel GULag. Warum wohl ?? Es lohnt sich, darüber nachzudenken !

Seither konnte ich in 29 eigenen Ausstellungen in Österreich und Deutschland vielen Menschen aller Altersstufen meine Bilder zeigen. Immer wurde deren versöhnliche Aussage gewürdigt, denn trotz aller schlimmen und schrecklichen Erlebnisse jener Jahre glaube ich, dass es 60 Jahre nach dem Schweigen der Waffen Zeit wäre, einander zu verzeihen. Neben brutalen Schlächtern und Schlägern, die es bekanntlich in jedem Volk gibt, habe ich auch zahlreiche Russen (und nicht zu vergessen: Russinnen) mit einer großen Seele erlebt, die, trotz eigener Armut und unter hohem eigenen  Risiko, uns Gefangenen heimlich eine Schnitte Brot oder eine Machorka-Zigarette zugesteckt haben. Ich bin kein Feind des Russischen Volkes. Im Gegenteil !

Meine Bilder zeigen die Wahrheit einer Zwangsarbeit, die von Millionen nicht im Kriege, sondern im Frieden geleistet werden musste, aber - bewusst - nicht ihre brutalste Seite. Denn nur Wahrheit kann Frieden bringen, auch dann, wenn dies hüben und drüben manchmal schmerzhaft ist. Ich möchte Gräben zuschütten, nicht vertiefen.

Vor allem aber möchte ich den Vielen, Allzuvielen, die "dort" geblieben sind und deren Gräber oft verloren gingen, ein Denkmal setzen. Sie sollen nicht vergessen sein !